Helmut Gollwitzer – Luther

Helmut Gollwitzer –  ZITAT


ZU LUTHER

Die Kirche wird aus einer Institution, die herrscherlich die Heilsgüter verwaltet, zur „Herde, die auf ihres Hirten Stimme hört“, zur Schar von Mensch, die den Ruf gehört haben und weitertragen. Alle Beziehungen zwischen Gott & Menschen werden aus sachhaften zu personalen. Keiner hat mehr etwas vor dem anderen voraus, weil alle auf Hören angewiesen sind und sich brüderlich mit dem Wort dienen können und sollen; der Unterschied zwischen Klerus & Laien, die ganze hierarchische Stufenordnung fällt dahin. Unmittelbar spricht das Wort zu jedem und macht ihn frei zu eigenem Höfen; die Kirche kann nur noch dienen, helfen, nicht mehr bevormunden. An die Stelle heiligen Kirchenrechts tritt die Freiheit der Gemeinde, ihre Verhältnisse je so zu ordnen, wie es ihrem Auftrag am besten entspricht.

Dieser Auftrag ist alles. Er sendet die Gemeinden und die Einzelnen in die Welt; diese ist das Feld des Dienstes, nicht mehr  überlagert von höheren sakralen Ebene, in der sich , in der sich heiliger leben läßt. Es geht gar nicht mehr ums Heiligsein, sondern ums Gehorchen, im irdischen Beruf ( dies Wort bekommt nun seinen heutigen Klang), in Familie, Staat, Arbeit, in der Nüchternheit des Alltags.
Hören & Lieben – das sind Akte der Freiheit. Sie lassen sich nicht erzwingen, darum darf die Kirche sich nie mehr des Schwertes bedienen; ihr Schwer ist das Wort.
Darum darf sie auch nicht die Welt beherrschen , „verchristlichen“ wollen, nicht vorschreiben, wie der Dienst des Einzelnen auszusehen hat; sie kann nur an Gottes Gebote erinnern, raten, mahnen; das Gebot hören und entscheiden, wei seine Befolgung jetzt auszusehen hat, ist Sache der Verantwortung des Einzelnen, nicht in der Isolierung, sehr wohl im brüderlichen Rat, aber in unabnehmbarer Verantwortung.
Das ist ein männliches, freies Klima. Wo der Mensch sich nicht schämt, Kind zu sein, das aus der Gnade des Vaters lebt, da entstehen, freie, aufrechte Männer, die den Mut haben Einzelne zu sein & Verantwortung & Entscheidung nicht scheuen.
Die Luft des Evangeliums ist eine Luft der Freiheit & Luthers größtes Entsetzen galt der Erkenntnis, daß statt dessen in der Kirche die Stickluft des Gesetzes, des Zwangs und der Angst eingezogen war. Wo sie wiederkehrt – & sie kann überall wiederkehren, weil der Mensch oft genug die Freiheit fürchtet & den Zwang liebt!
-, da steht Luther auf der Seite des Protestes. Wer die Zeichen der Zeit im Osten & im Westen zu lesen versteht, sieht, wie einsam & wie aktuell diese lutherische Protest auch heute allenthalben ist.
(Vorwort Martin Luther/ Helmut Gollwitzer /Fischer Bücherei S. 14/15)


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Ausschnitt aus dem Lutherfilm